Wunder der Technik in grün und orange
Neulich im Thermalbad durfte ich wunderbare Beobachtungen machen. Es gibt ja in einem Bad so dies und jenes zu sehen. Aber das meine ich jetzt gerade mal nicht. Also, ich beobachtete nicht wie du jetzt wohl denkst im Wasser oder in der Sauna, sondern ganz anständig angezogen im Ausgangsbereich. Und naja, auch in der Garderobe, aber alles ganz sauber – und ebenfalls angezogen.
Ursprung der Unterhaltung bot das grüne (für Männer) und orange (für Frauen) Chip-Armband, das es seit einiger Zeit in eben diesem Thermalbad gibt. Mit dem schliesst man seine Kleider und Wertsachen ein, mit dem bezahlt man und mit dem geht man dann am Schluss auch wieder durch ein Drehkreuz aus der Anlage. Alles ganz logisch und selbsterklärend. Sollte man meinen.
Oder aber ein Wunder der modernen Technik. Fertig angezogen und frisiert packe ich gerade noch meine Siebensachen in den Sack. Da kommt ein Herr hereinspaziert und ist erstmal ganz verwirrt, wie das jetzt funktioniert mit all den Garderobenschränken. Ich schätze ihn zwischen 62 und 65 Jahre alt und frisch pensioniert. Denn wäre er schon länger in Rente, dann wüsste er, wie das hier in diesem Thermalbad von sich geht. Er bekommt dann eine kleine Einweisung von einem anderen Rentner, welcher sich wie ich gerade auf den Weg nach Draussen macht.
Hier muss ich vielleicht noch kurz erwähnen, dass ich mitten unter der Woche an einem Vormittag im Bad war. Ich genoss einfach nur mit meiner Frau einen freien Tag. Der werte Herr, also der Neuling, verschwand dann erstmal kurz in der Umkleidekabine und anschliessend verstaute er alle seine Sachen in einem der unzähligen freien Schränke. Und dann, ja dann, hielt er seinen Chip an das Schloss und – Trommelwirbel – der Schrank wurde wie von Geisterhand verschlossen. Jesses, die Freude des Herrn hättet ihr sehen sollen! Für ihn fing gerade eine neue Zeitrechnung der Technologie-Ära an. Ich gönne es ihm.
Nun, ich war ja aber wie gesagt auf dem Weg nach Draussen. Da man beim Rausgehen bezahlen muss und mein Geldsack in der Tasche bei meiner Frau lag, wartete ich also auf sie vor der Kasse. Ich setzte mich gemütlich auf die nicht unbequeme Sitzbank und die Unterhaltung der Generation Silbermähne ging weiter.
Das Bezahlen war dabei nicht das Interessante. Aber der Schritt danach, der amüsierte mich. Der Schritt durch das Drehkreuz. Dieses eine Hindernis, das einen noch trennt von der Freiheit ausserhalb des Bades. Der Schritt von der Erholung in den harten Alltag raus. Das ist nicht einfach. Für niemanden. Echt nicht!
Um quasi berechtigt rauszukommen, muss man sein Chiparmband, das grüne oder orange eben, in ein Leseloch reinschieben. Da wird also erstmal das Armband zurecht gefaltet, dass es dann auch reinpasst. Und noch eine Zeit lang das onimöse Loch anstarren. Was passiert wohl da drin? Nachdem man sich das gefragt, aber keine Antwort bekommen hat, wird nun das Armband todesmutig reingestopft. Unglaublich, der Automat frisst das einfach so!
Chip weg, Drehkreuz noch geschlossen und es wird weiter ins Loch gestarrt. Und dann, oho, zeigen einem zwei grün leuchtende LED-Linien an, dass man jetzt durchlaufen kann – und soll. Jetzt werden die LED-Lichter angestarrt. Wenn das Drehkreuz reden könnte, würde es jetzt sagen „Hallo? Durchlaufen bitte! JETZT!“ Die meisten laufen dann auch und sind wohl froh, durch zu sein. Aber eine Jungrentnerin erwischt es doch tatsächlich! Chiparmband im Loch, LED-Anzeigen auf grün, Frau am warten, und warten – und warten. Und plötzlich: die grünen LED-Streifen erlischen. Naja, wenn die gute Dame hinter der Kasse nicht gewesen wäre, die ältere Besucherin würde wohl heute noch warten. Und das Loch anstarren. Aber wenigstens die grünen LED-Lichter nicht mehr. Denn die sind erloschen.
Ich hätte noch lange zuschauen können. Aber irgendwann bezahlten auch wir und standen vor dem schwierigen Schritt durch das Drehkreuz. Man sollte sich ja nicht selber loben, aber wir haben diese Herausforderung echt gut gemeistert. Aber ich hatte ja auch genügend Zeit, das ganze zu studieren. Und vielleicht hat mir auch mein Job in eben dieser Branche ein ganz klein wenig geholfen.