Wenn Papi auf das Kind aufpasst
Wunderbar, wie modern unsere Gesellschaft heute ist! Da geht eine schweizweit bekannte und gute (meine Meinung) TV-Moderatorin nach knapp vier Monaten Babypause wieder arbeiten und erntet dafür unzählige Hass-Kommentare. Was für eine Rabenmutter! Also wirklich. Sie lässt bestimmt ihre Kleine zu Hause ganz alleine im Bett rumliegen. Die Windel füllt sich, der Hunger nimmt zu – und einfach niemand da! Also echt.
Ist doch logisch, dass die Mutter (mit Betonung auf Mutter) daheim bleiben muss und für den 24h-Support am Nachwuchs zu sorgen hat. Und wenn der Vater der Kleinen nach Hause kommt, wird diese frisch gewickelt und geföhnt vorgezeigt, mit dem herrlichsten Lächeln, das es gibt. Damit er tagsdarauf im Büro wieder davon schwärmen kann. Und wie voll die Windel am Abend war, die dann die wunderbare Mutter auch prompt gewechselt hat als man selber, rücksichtsvoll wie man ist, auf Kaffee und Nachtisch gewartet hat.
Genau! So soll es doch sein! So war es immer. Und so wird es immer bleiben. In gewissen Köpfen ist das anscheinend tatsächlich noch so. In anderen aber glücklicherweise nicht. Ich jedenfalls finde unser eigenes Modell super! Wir arbeiten quasi alle Teilzeit. Ich für meinen Teil bin 80% im Büro, meine Frau ist 60% im Beruf tätig und unser Sohn macht 40% die Krippe unsicher. Und im Rest der Zeit teilen wir uns den Haushalt: Waschen, Putzen und Unordnung machen (in der gleichen personenbezogenen Reihenfolge).
Ich bin überzeugt davon, dass der Aufenthalt in der Krippe dem Kleinen im Umgang mit anderen Kindern, grössere und kleinere, sehr gut tut. Und ich bin ebenso überzeugt von unseren Tagen als Mami oder eben als Papi, die wir mit ihm alleine haben. Es ist ein ganz anderes Erleben als die gemeinsamen Wochenenden und es festigt die Beziehung bedeutend. Und zwar zwischen allen.
Wie schon gesagt, ist unsere Gesellschaft wohl noch nicht flächendeckend soweit. Das kann ich aus eigener Erfahrung so sagen. Ein regelmässiges Beispiel ist das Einkaufen. Egal, ob Migros, Coop oder Nespresso-Shop. Ich werde deutlich freundlicher und zuvorkommender bedient, wenn ich mit meinem Sohn im Wagen daher gefahren komme, als wenn ich so ganz alleine mit dem vollen Korb angelaufen komme. An der Kasse werde ich ganz logisch gefragt, ob ich bei der jeweils aktuellen Sammelaktion auch mitmache oder ob ich noch einen (N)Espresso probieren möchte. Ist doch selbstverständlich!
Und der Kleine bekommt meist auch noch was. Aber ok, er ist halt einfach richtig süss. Bin mal gespannt, ob er in 20 Jahren den Frauen immer noch so den Kopf verdreht. Ganz anders verhält sich das, wenn ich alleine komme. Da werde ich so gut wie nie nach den Sammelmarken gefragt und werde ganz allgemein viel weniger beachtet. Aber selbst wenn meine Frau mit dem Sohnemann unterwegs ist, wird sie nie im gleichen Ausmass so freundlich behandelt, wie ich. Diese Beobachtung mache ich nun schon über anderthalb Jahre und ich bleibe dabei: es ist, wie gerade eben beschrieben!
Ein Tipp für alle Singles gegen Dreissig: Nehmt mal ein Kind mit und fahrt mit ihm im Einkaufszentrum spazieren. Ihr solltet das Kind aber nicht irgendwo einfach mitnehmen. Am besten habt ihr eine Schwester, einen Bruder oder sonstige Bekannte, welche bereits Nachwuchs haben. Dann umsorgt es schön lieb und macht lustige Sachen mit dem Kind. Und im richtigen Moment seid ihr natürlich am richtigen Ort und findet mit der richtigen Frau das Gespräch! Ich bin überzeugt, das funktioniert. Aber Vorsicht: wenn ihr selber gar keine Kinder mögt, könnte dieser Schuss auch nach hinten losgehen.
Ebenso erstaunt schauen die meisten Mütter auf dem Spielplatz, wenn ich mitten unter der Woche mit dem Kleinen dort auflaufe. Hier darf ich jedoch sagen, dass die meisten sich freuen, wenn ich dann mal erzähle, dass ich meinen „Papitag“ habe. Auch wenn ich nicht so Fan bin von diesem Ausdruck, denn man sagt ja auch nicht „Mamitag“.
Im Umkehrschluss gibt es aber hier dafür den Muttertag. Einen Vatertag gäbe es auch. Das habe ich von meinen deutschen Arbeitskollegen erfahren. In der Schweiz jedoch hat dieser keine Bedeutung. Ich selber habe dafür das Glück, dass ich ab und zu am Muttertag Geburtstag habe. So wie dieses Jahr. Dann können wir alle gemeinsam Feiern und so wird der zweite Sonntag im Mai ganz einfach zum Familientag. Ist doch eh viel gescheiter.
Und dann die ewigen Diskussionen um den Vaterschaftsurlaub. Ich habe mit meinen fünf Tagen schon viel für Schweizer Verhältnisse. Aufgestockt mit Urlaubstagen konnte ich so vier Wochen zu Hause bleiben. Aber was meint ihr? Hat mich jemand komisch angeschaut und gefragt, wieso ich denn schon wieder arbeiten gehe nach diesen vier Wochen? Hä? Wie bitte? Sicher nicht! Und jetzt stellt euch mal vor, meine Frau wäre nach bereits vier Monaten (das wäre dann viermal so lange) wieder arbeiten gegangen. Selbstverständlich unter der Annahme, dass es ihr gut geht und sie die köperlichen wie seelischen Strapazen der Geburt gut verdaut hat. Die Reaktionen hätten unter Garantie ganz anders ausgesehen. Sie wurde selbst bei den tatsächlichen sechs Monaten häufiger darauf angesprochen wie ich mit meinen vier Wochen.
Zu guter Letzt wünsche ich uns allen einfach nur, als Familie glücklich zu sein. Egal mit welchem Modell von Arbeit und Erziehung. Es soll den Kindern und auch den jeweiligen Eltern entsprechen und im mindesten dafür sorgen, dass alle genügend Zeit miteinander verbringen können. Denn das ist das wertvollste überhaupt. Zeit mit der Familie.
Das muss ich jetzt einfach wissen, bevor ich verzweifelt zum Optiker renne, und eine neue Brille bestelle: ist der Vogel auf dem Schrank aufgeklebt oder schwebt der?
Kein Optiker notwendig! Der schwebt tatsächlich! Oder ganz genau gesehen, hängt der sogar.