Was gehört auf eine gute Weinflasche? Korken oder Deckel?
Wein mit Korken oder Deckel? Gute Frage! Am besten beides. Denn für beide Varianten findet man unzählige Experten-Meinungen. Selbst bei den Winzern gehen die Meinungen auseinander. Die einen schwören auf den altbewährten Naturkorken. Die anderen auf den neuartigen Schraubverschluss. Teilweise aus den gleichen Gründe für dies oder jenes.
Es gibt jedoch einen Grund, welcher ganz klar für den Schraubverschluss spricht. Die fehlerhafte Bedienung des Korkenziehers! So erlebt im Frühjahr 2011 im Bundesstaat New York, USA, in einer Weinbar mitten in einem Weinanbaugebiet.
Auf unserer Rundreise von New York über Boston zu den Niagara Falls und wieder zurück, machten wir auch Halt in Watkins Glenn. Wunderschön gelegen an den Finger Lakes. Bekannt als Weingebiet. So liesen wir uns nicht zweimal bitten und begaben uns auf eine Wine Tasting Tour dem See entlang. Einmal nach Dresden und wieder zurück. Wieder im Hotel begaben wir uns in die Weinbar des Hauses, um dem lokalen Traubengenuss noch mehr Zeit zu widmen.
Das gelang uns auch wunderbar. Ob die Bedienung unsere Freude teilte? Ich bin mir nicht so sicher. Drei Flaschen Wein durften an unserem Tisch entkorkt werden. Das Beste? Bei zwei der drei Flaschen schaffte es unsere Bedienung doch tatsächlich den Korken abzubrechen. „Real Cork“ und ein abgewetzter Korkenzieher waren Schuld daran. So die gute Dame der Bar.
Als wir bei der dritten Flasche ganz höflich fragten, ob wir helfen dürfen, fand sie es nicht ganz so toll. Nun ja, wir waren halt so höflich wie man so ist nach einem ganzen Tag Wine Tasting und zwei weiteren Flaschen. Die Personenzahl dürft ihr ruhig in den Kommentaren erraten.
Ach ja. Das Beste zum zweiten? Irgendwie schaffte es die gute Dame immer, den Korken doch noch aus der Flasche zu bringen. Anstandslos floss der Wein danach in unsere Gläser. Kein Sorry, kein Nichts. Als ob das dort ganz normal wäre.
Also nun. Das alles spricht klar für Schraubverschlüsse. Zwischenstand 0:1 für den Deckel. Zumindest in der genannten Weinbar in Watkins Glenn. Aber sonst?
Für den Korken spricht die Lagerfähigkeit. Sagt man. Nun sagt jedoch ein anderer, dass Weine mit Schraubverschlüssen genauso gut gelagert werden können. Es kommt zwar weniger Sauerstoff zum Wein. Dies führt aber nur dazu, dass der Wein weniger schnell altert. Anders ausgedrückt, ist der Wein länger haltbar. Kommt noch dazu, dass Wein heute weniger zum Lagern, sondern zum baldigen Trinken gekauft wird. Also zum unmittelbaren Genuss.
Unentschieden bei der Lagerung. Zwischenstand 1:2 für den Deckel.
Ganz wichtig beim Wein ist der Genuss. Das Zelebrieren. Ob mit oder ohne Dekantieren. Ein Schluck eines feinen Roten ist ein wahrer Wohlgenuss. Das Anstossen der Gläser erklingt so schön wie sonst selten. Vorab das Probieren. Schmeckt der Wein? Hat er Zapfen? Ein Ritual, das dazugehört. Und ja! Bereits das Öffnen der Flasche stimmt auf all das ein. Das vornehme Hinstellen der Weinflasche. Ein erstes Riechen am Korken.
Wenn es denn einen Korken gibt. Schraubt man die Flasche einfach nur auf, so ist ein gutes Stück der genussreichen Weingeschichte dahin. Klarer Punkt für den Korken. Zwischenstand 2:2. Unentschieden.
Nun zur wichtigen chemischen Diskussion über das Molekül 2,4,6-Trichloranisol (TCA). Auch bekannt als Zapfen. Wenn grundsätzlich guter Wein so richtig schlecht schmeckt. Das TCA ist bereits in kleinsten Mengen sehr geruchsintensiv. Schon ab einem Milliardstel Gramm pro Liter kann man den Zapfengeruch im Wein riechen. Es ist jedoch nicht der Korken, der in erster Linie für den schlechten Wein verantwortlich ist.
Das genannte Molekül kann auf unterschiedliche Weise in den Wein gelangen. Durch Chemikalien bei Anbau oder Produktion, während des Transports oder bei der Lagerung. Speziell auf Paletten und im Karton hat es häufig TCA. Das Molekül gelangt jedoch nicht nur durch den Korken in den Wein. Auch Plastik nimmt das Molekül auf. So können auch Weine mit Kunststoffzapfen oder Drehverschlüssen Zapfen bekommen.
Da die Gefahr für einen Zapfen im Wein beim Korken trotzdem einiges grösser ist, gibt es hier einen Punkt für den Drehverschluss. Zwischenstand also 3:4 für den Deckel.
Ein ganz wichtiger Punkt sind noch all die Korkenzieher. Ich meine hier nicht die herstellende Industrie, die dahintersteckt und damit ihr Geld verdient. Sondern unsere ganz persönlichen Korkenzieher in unserer Küche! Zehn Stück sind es mittlerweile. Ich habe nur die Auffindbaren gezählt. Die meisten haben wir zur Hochzeit geschenkt bekommen. Nicht, weil wir dazu aufgerufen wurden. Nein. Unsere zwei Begleiter in Watkins Glenn haben uns die unterschiedlichsten Modelle geschenkt, damit wir nie über abgewetzte Korkenzieher jammern müssen. Und uns damit nie, aber auch wirklich nie, ein Korken abbricht. Sei er noch so „real cork“.
Klarer Punkt also für den Korken. Zwischenstand 4:4.
Unentschieden. So hin und her gerissen die Winzer sind, so ausgeglichen ist meine persönliche Studie. Welche überhaupt nicht repräsentativ ist. Das ist ja wohl allen klar. Schlussendlich darf ruhig jeder selber entscheiden. Und seine Meinung als Kommentar mit allen teilen.
Trotzdem vergebe ich den letzten Punkt an den Korken. Für mein persönliches Gefühl. Und mein Wohlbefinden. Ich finde es halt einfach schön, bei einer guten Flasche Rotwein den Korken zu ziehen. Beim Weisswein ist mir das noch eher egal. Ich mag es einfach. Ich habe jedoch nie das Gefühl, dass dieser Wein jetzt geschmacklich besser ist aufgrund des Korkens.
Es steht nun also 5:4 für den Korken.
Aber halt! So rein wirtschaftlich gesehen spricht wieder vieles für den Drehverschluss. Er ist ganz einfach günstiger in der Herstellung als ein Naturkorken. Das schlägt sich natürlich auf den Verkaufspreis aus. Die Preispolitik bei Weinen gibt jedoch genug Stoff für einen eigenen Beitrag.
Also bleiben wir fair und vergeben den wirklich letzten Punkt an den Drehverschluss. Womit es wieder Unentschieden steht. 5:5.
Also? Korken oder Zapfen? Was denkt ihr? Für mich stimmt ein Unentschieden der beiden Verschlussvarianten. Ich schrecke nicht zurück vor dem Kauf von Deckel-Weinen. Trotzdem geniesse ich das Öffnen einer Weinflasche mit einem unserer Korkenzieher. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die Qualität des Weines nicht davon abhängt, ob die Flasche nun mit einem Korken oder einem Drehverschluss verschlossen ist.
Meine Quellen
- Wieso haben Weine Zapfen? (SRF einstein, 15. Oktober 2013)
- Schraubverschluss oder Korken? Klare Sache! (Wein.com – das Wein-Magazin, Datum unbekannt)
- Wein: Kork- oder Schraubverschluss? (Für Sie – Zeit für mich, Sommer 2012)
- Interessante Fragen und Antworten auf Landolt Weine
- Wikipedia: Korken
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Danke für die ausgewogene Darstellung der Argumente. Selber bin ich klarer Verfechter des Korkens. Für junge, bald zu trinkende Weine kann ich durchaus auch Schraubverschluss oder den leider sehr seltenen Glaskorken akzeptieren. Bei lagerfähigen Weinen wie Bordeaux, Burgunder oder Tokajer Aszú würde ich aber nicht auf Naturkorken verzichten. Da entscheidet für mich auch das Argument des Stils und der Zeremonie.
Der oft bemühte Hinweis, das ein Wein mit Schraubverschluss nicht „korkeln“ kann, stimmt ja nicht, wie hier auch bestätigt wird.
Und auch das wirtschaftliche Argument zieht nur wenig: denn viele Spitzenweine etwa vom Juliusspital Würzburg haben (leider) einen Schraubverschluss, während günstige Spanier aus dem Supermarkt oft noch mit exzellenten Massivkorken aufwarten.
Besten Dank. Dem Glaskorken bin ich beim Lesen begegnet, hatte jedoch noch nie eine Weinflasche mit einem solchen. Wenn das mal kein Grund ist, eine gute Flasche Wein zu öffnen mit Glaskorken 🙂 aber zuerst einen finden. Lg Stefan.
Für den Drehverschluss spricht sicherlich auch, dass die heute produzierte Korkmenge nicht mit der heute produzierten Weinmenge mithalten kann, so weit ich weiß. Als Winzer ist man somit im Grunde genommen gezwungen, einen Teil seiner Produktion mit Schraubverschluss auszustatten.
Aber ob Korken oder Schraubverschluss ist mir eigentlich egal, so lange der Wein nicht für ein paar Cent im Tetra Pak verramscht wird! 😉
Danke dir. Ob die Kapazität der Naturkorken reicht oder nicht, kann ich so nicht beurteilen. Aber Wein aus Tetrapack ist auch nicht meines. Nicht einmal wegen der Qualität. Wein ist für mich einfach was edleres und gehört nicht in Tetrapack. Nur schon Bier in Petflaschen ist für mich grenzwertig. Lg Stefan.
Natürlich geht dem Drehverschluss das ganze Öffnungsprozedere total ab. Aber wenn der Wein (daheim) ohnehin nicht erst unmittelbar vor dem Trinken und vor den Gästen geöffnet wird, ist das egal.
Mir ist daher der Inhalt der Flasche wichtiger als ihr Stöpsel. Sei er aus Kork, Plastik oder Metall.
Vierte Variante, und auf ihre Art auch ziemlich edel, finde ich den Glaskorken. Schon mal davon gehört?
Besten Dank. Stimmt schon. Am wichtigsten ist der Wein selber, nicht der Verschluss. Nur das Prozedere beim Öffnen ist bei mir nicht für die Gäste, sondern für mich selber. Vom Glaskorken habe ich gelesen, hatte jedoch noch nie eine Flasche mit einem solchen. Wäre mal auszuprobieren 🙂
Edle österreichische Weine haben mitunter einen Glaszapfen. Ich kann mich aber ehrlich gesagt nicht daran erinnern, so einen schon mal hierzulande getrunken zu haben.