Schweizerdeutsch lernen und verstehen
Kennt ihr die Geschichte, als sich ein Schweizer besonders Mühe gibt, in Deutschland Hochdeutsch spricht und die Deutschen überglücklich sind, dass sie Schweizerdeutsch verstehen? Ja klar, es klingt nun einmal etwas anders, wenn wir Schweizer Hochdeutsch reden. Nur schwätzen wir die meiste Zeit unseres mündlichen Daseins halt eben in unserem ganz eigenen Dialekt daher. In der eigenen Variante des regionalen Schweizerdeutsch.
Des Schweizerdeutsch Fremde, welche uns verstehen und womöglich sogar mit uns in Mundart sprechen möchten, können dies nun online lernen. Mit dem Sprachkurs von schweizerdeutsch-lernen.ch – möglich in Deutsch und Englisch. Aber beachtet einfach eines! Schweizerdeutsch ist nicht gleich Schweizerdeutsch.
Es gibt bestimmt mehr Dialekte und Mischformen als es Kantone gibt. Für die Betrachtung des Schweizerdeutsch können wir nun getrost die französische und italienische Schweiz wegdenken. Was übrig bleibt, ist die Deutschschweiz, wo in kaum einer Gemeinde gleich gesprochen wird.
Es gibt gut verständliche Dialekte, die kaum anecken. So mein geliebtes Luzernerdeutsch. Der wohl neutralste Dialekt, den es gibt. Ok , ich bin da ein klein wenig voreingenommen. Überhaupt ist die Bewertung von Dialekten überaus schwierig, weil sehr persönlich. So gehören die nordwestlichen wie auch östlichen Redeformen nicht gerade zu meinen Lieblingen.
Bei Basel liegt es natürlich auch ein wenig an der Fasnacht, haben sie doch nach Luzern die zweitgrösste Fasnachtskultur der Schweiz. Vorsicht, hier schreibt ein Luzerner! Anstatt Dambuur, Pfiffer und Schnitzelbangg mag ich viel lieber meine geliebte rüüdig verreckt schöne Lozärner Fasnacht. Aber eines ist wohl in beiden Städten gleich. Für diese Anlässe muss man einfach geboren sein.
Rüüdig esch de öpe ned e negative Usdrock.
Rüüdig ist ein positiver Luzerner Kraftausdruck
Bei der Ostschweiz – auch Mostindien genannt – weiss ich eigentlich gar nicht viel zu sagen, ausser dass mir der Dialekt einfach nicht liegt. Da ist ein Baum e Bom, es Rääf eine böse Frau und wenn die Kinder geegele, dann trödeln sie rum. Aber wechseln wir mal die Region und gehen in die Südschweiz.
Aber nicht ins Tessin. Nein, ins Wallis. Das Wallis besteht im Grunde aus vielen Bergen und dem Rhônetal, welches sich vom Furkapass bis zum Genfersee durchzieht. Im Westen wird französisch gesprochen, im Osten Deutsch. Walliserdeutsch. Was soviel heisst, dass wir Grüezis – so werden wir Deutschschweizer nördlich der Alpen von den Wallisern liebevoll genannt – nicht viel mehr verstehen, wenn sie ihren Dialekt so richtig ausleben.
Im Wallis geht man ambrüf auf den Berg und ambri ins Tal. Aufs Brot schmieren sie sich Öichu, während ich Anke striiche und in Deutschland der Butter genommen wird. Und wenn der Walliser abends vom Weingut heimkommt, so schliesst er nicht die Türe, sonder die Porte. Dieser Ausdruck kommt wie so viele weitere aus dem französischen (la porte). So sagen wir bei uns auch äxgüsi zur Entschuldigung wie im französischen excusez.
Nicht ganz einfach wird die Erziehung der Kinder über die Dialekte hinweg. Wenn mein Kind brüelet, so gebe ich ihm den Nuggi. Aber es könnte auch briele oder briegge. Oder halt schreien oder weinen. Da hilft im Rafzerfeld (nördlicher Kanton Zürich) nur der Bapf, in Nidwalden der Tutsch und bei mir eben de Nuggi. Auch Schnuller genannt.
Ein mir überaus sympathischer Dialekt wird in Bern gesprochen. Aber auch im Luzerner Entlebuch, wo doch immerhin meine Vorfahren herkamen. Es ist der wohl schönste und gemütlichste Schweizer Dialekt. Bärndütsch. Esch scho gäng so gsi. Ja, war schon immer so. Wer möchte nicht gerne einem Bärner Meitschi es Müntschi gä? Verstanden? Dann gebe doch einfach bei nächster Gelegenheit einer Berner Dame einen Kuss.
Aber bei Komplimenten ist Vorsicht geboten. Möchtest du die Naser deiner Angebeteten positiv erwähnen, so solltest du nicht unbedingt sagen: „hesch e schöne Zinggä„. Bitte nicht. Zinggä steht für Nase, aber eher abwertend, was die andere Bedeutung von Zinggä noch hervorhebt: Ecke, Spitz. Alles klar, oder?
Was jedoch in gewissen Regionen, konkret im Appenzellerland, ein üblicher und wohlgemeinter Ausdruck ist, ist Goof für Kind. In meinem (Luzerner) Verständnis ist mit Goof eher ein schlecht erzogener Balg gemeint. Auch mal als Schnodergoof bezeichnet, wenn es dann ganz schlimm ist. Auf dem Spielplatz hat es neben dem Sandkasten und der Rutschbahn auch meistens es Gigampfi (Schaukel) und es Ritiseili oder auch Giirezili, wie man hier in Zürich sagt. Gemeint ist eine Seilschaukel.
Aber gehen wir mal einkaufen. Morgens in die Bäckerei. Bei schönem Wetter nehmen wir doch gerne mal das Velo. Da habe ich tatsächlich über 20 Jahre lang geglaubt, das sei ein ganz normales hochdeutsches Wort. Bis ich erfuhr, dass man in Deutschland dann doch das Fahrrad nimmt. Aber zurück in die Bäckerei. Da empfehle ich euch ein frisches Gipfeli sowie Mutschli und Weggli. Nebst den weiteren Leckereien natürlich.
Und geht ihr mit dem Turnverein nach dem Training no i dBeiz, also ins Restaurant, so ist ein erfrischendes Bier bestimmt das richtige. Das wohl am meisten bestellte Bierglas ist e Stange, welche typischerweise im stangenähnlichen 3dl-Glas daherkommt. Für den grossen Durst wird e Chöbu bestellt (Halbliterkrug) und wer lieber öfters bestellt, der kann in Luzern auch es Herrgöttli bestellen. Wer jetzt Durst hat, sollte hier weiterlesen.
Für den Durst in der Kalten Jahreszeit empfehle ich euch (in der Zentralschweiz) es Tee Zwätschge (Pfefferminztee mit Zwetschgenschnaps), ein Kafi Zwätschge oder es Holdrio (Hagebuttentee mit Zwetschgenschnaps). Holdrio ist ganz besonders in der Fasnachtszeit ein heissgeliebtes Getränk. In Obwalden bestellt ihr einfach es Cheli, dann bekommt ihr das Kafi Schnaps im – eben – Cheli serviert.
Egal, ob mit einem Bier, einem Kafi oder enere Bulgä Wy (Bündner Ausdruck für Flasche Wein), so schwierig es manchmal scheint, man kann uns Schweizer durchaus verstehen. Es gibt noch viele Dialekte mehr. So wird auch im kleinen Kanton Uri ganz eigen gesprochen, aber auch im grossen Kanton Graubünden.
In der abschliessenden Tabelle habe ich euch einfach mal eine kleine Auswahl an verschiedensten Ausdrücken aufgelistet. Entnommen habe ich die Übersetzungen der Sammlung Schweizerdeutscher Dialektwörter- und begriffe. Dort findet ihr eine riesige Auswahl aus dem Schatz der Deutschschweizer Sprache. Wahlweise geordnet nach Dialekt oder Deutsch.
Ich weiss, man kann uns verstehen. Aber meiner Meinung nach, muss man Schweizerdeutsch nicht lernen. Das klingt dann meist ziemlich doof. Sorry, aber ist so. Also machen wir es doch so: wir Schweizer sprechen unseren Dialekt, und ihr bleibt beim Hochdeutsch. Ok?
Wer nun aber Schweizerdeutsch lernen will, kann dies wie angedroht auf schweizerdeutsch-lernen.ch. Mit Lernvideos kann man sich das Schweizerdeutsch selbst aneignen – im Dialekt seiner Wahl. Zurzeit stehen Züridütsch, Baseldytsch, Bärndütsch sowie St. Gallerdütsch zur Auswahl. Es hat auch einen Blog mit Artikeln zu Schweizer Traditionen, Regionen und weiteres. Beim Durchlesen des Beitrages über Luzern standen mir jedoch die Haare ziemlich schnell zu Berge. Bereits im ersten Absatz ein fataler Fehler. So liegt Luzern richtigerweise am Vierwaldstättersee, aber ganz bestimmt nicht am Zufluss der Reuss. Die fliesst nämlich in Flüelen in den See und in Luzern aus diesem heraus. Ich hoffe mal, der Kern der Seite – der Sprachkurs – ist etwas professioneller mit Inhalt gefüllt.
Es gibt aber auch Online-Wörterbücher wie jenes von Hablaa und von Langenscheidt gibt es das Liliput-Wörterbuch Schweizerdeutsch.
Nun aber zur Auswahl einiger Dialekt-Ausdrücke der Schweiz.
Dialekt | Deutsch | Bemerkung |
---|---|---|
ambri, umbri | hinunter | Wallis |
ambrüf, umbrüf | hinauf | Wallis |
Anke | Butter | |
Öichu | Butter | Wallis |
Äxgüsi | Entschuldigung, Verzeihung | vom frz. excusez |
Bapf | Schnuller | Rafzerfeld (Zürich) |
Tutsch | Schnuller | Nidwalden |
Nuggi | Schnuller | |
Porte | Türe | Wallis |
biigewiis | in Massen | |
bloche | rasen, schnell fahren | |
brüälä, briele, briegge | weinen, schreien | |
Bulgä Wy | Weinflasche | Graubünden |
Bünzli | Spiesser, kleinmütiger Mensch, Kleinbürger | |
Büsi | Katze | |
Chabis | Kohl, Unsinn | |
Chatze hagle | in Strömen regenen | |
Cheli | Kaffee Schnaps im Cheli serviert | Obwalden |
Chlapf | Knall, Motorrad, Alkoholrausch | |
chutä | stark winden | |
deräwäg | auf diese Art | |
Dütschi | Holzscheit | |
Füschtu, Füschtel | Sandwich, schwerer Hammer mit kurzem Stihl | |
gaagele, gaagelä | schaukeln | |
Gaagelistuehl | wackelnder Stuhl | |
Gacho, Gascho | Harasse (Bier) | |
gäng | immer wieder | Bern |
Gäzzi | Schöpfkelle | Schwyz |
Garacho | hohes Tempo | |
geusse, güssä | schrill schreien | |
Gigampfi | Schaukel, Wippe | |
Giireizli | Seilschaukel | Zürich |
Ritiseili | Seilschaukel | Luzern |
Goof | Kind, je nach Region abwertend oder neutral | |
Gumel, Gummeli | Kartoffel | Schwyz |
Härdöpfu | Kartoffel | Luzern |
Häpärä | Kartoffel | Fribourg |
guslä, gusle | etwas aufwühlen, arbeiten | |
habere | essen | |
Hächu | Verehrer | Berner Oberland |
heläwiä | was du nicht sagst | Appenzell |
joo däio | was du nicht sagst | Wallis |
es lottered | es ist lose, reparaturbedürftig | |
Mungg, Murmeli | Murmeltier | |
Müntschi, Schmotz | Kuss | |
Nidle | Rahm, Schlagrahm | |
nürzä | meckern, nörgeln | |
pfuuse | schlafen | |
rüüdig | in hohem Masse, sehr (Kraftausdruck) | Luzern |
Sägäsä | Sense | |
Velo | Fahrrad | |
Stange | Bier, typischerweise im 3dl Glas | |
Chöbu | Bier, typischerweise im 5dl Krug | |
Herrgöttli | Bier, typischerweise im 2dl Glas | |
Schwafli | Dummschwätzer | |
Tschoope | Kittel, Jacke | |
übuzitig | kompliziert | |
üüsereinä | ortsansässige | |
Zäutli, Zückerli | Bonbon | |
Zinggä | Ecke, Spitz, Nase (etwas abwertend) |
Hier hast du eines meiner Lieblings-Themen aufgegriffen: die verschiedenen Dialekte und ihre speziellen Wörter. Herrlich, ich müsste auch mal wieder so einen Beitrag lancieren. Da kommen nämlich immer ganz witzige Sachen raus. Schau mal hier.
https://flohnmobil.wordpress.com/2013/06/06/schnader-was/
Grüessli
Bea
Hoi Bea,
oh ja, di schnäderfrässige Cheibe 🙂 Im Thema mit den Dialekten könnte man sich ja beliebig austoben. Mal sehen, was noch kommt.
Lg Stefan
Vielen Dank für den Artikel:D ich fahre gerade mit dem Fahrrad durch die Schweiz, da kriegt man ja so einiges von Land und Leuten mit, wird mir vielleicht noch behilflich sein 😀
Na, dann ganz viel Spass und Vergnügen bei uns in der Schweiz.
Und ja, du fährst also nun „met em Velo dör dSchwiz“ 🙂