Nerven – entspannt, angespannt, überspannt
Mal ehrlich. Wer kämpft nicht ab und zu mit seinen Nerven? Wer wurde nicht schon mal beinahe in den Wahnsinn getrieben? Wollte einfach alles liegen lassen. Von niemandem mehr angesprochen werden. Möglichst nicht gestört werden.
Und hinterher? Mit etwas Abstand? Ja, dann ist doch (fast) immer alles nur noch halb so schlimm. Und seien wir mal ehrlich. In den meisten Fällen war es tatsächlich kaum der Rede wert. Aber das will und kann man in Momenten der völligen Überspanntheit nicht wahrhaben.
Nun gut. Es gibt Situationen, da kann man sprichwörtlich alles liegen und bleiben lassen. Einfach rein. Oder raus. Und vor allem: alles raus schreien. Oder die Computermaus an die nächste Wand schmeissen. Gedankt sei hier der kabellosen Maus. Sie fliegt einfach länger. Und knallt schöner. Das tut gut. Befreit.
Aber schon klar. Das geht nicht immer. Wie hört es sich denn an, wenn ich mal eben, morgens um sechs, quer durch den Bus brülle. Oder im Supermarkt den Einkaufswagen mit Vollschub ins nächste Regal schiebe. Um dann wutentbrannt noch ein paar Tomaten darauf zu schmeissen. Oder völlig verstört das nächstbeste Fahrrad in den Fluss werfen. Einfach nur, weil mir so ein saublöder Velokurier gerade eben den Vortritt genommen hat.
Völlig verständlich, dass das so nicht geht. In der aktuellen weltpolitischen (un-)Sicherheitslage könnte solches oder ähnliches Verhalten auch direkt gefährlich werden. Auf dieses Thema möchte ich jedoch aus Respekt auf Betroffene nicht weiter eingehen. Die (leider zu häufigen) Schlagzeilen bringen mich immer wieder zum Nachdenken. Speziell an jenem Freitag vor zwei Wochen, als auch meine Frau in München weilte.
Alles halb so schlimm – oder doch nicht?
So, aber nun mal halblang. So schlimme Züge mein Schreibfluss auch angenommen hat. Ganz so extrem habe ich mich noch selten gefühlt. Nur das mit dem Rausbrüllen und dem Mauswurf basiert auf wahren Begebenheiten. Nur ist es heute so, dass ich mich nicht immer gleich abreagieren kann. Zumindest nicht auf solche Weise. Da ist noch eine gewisse Verantwortung. Eine ganz grosse Verantwortung. Und eine schöne dazu. Das Stichwort lautet Vater. Oder Kind. Wie auch immer, gemeint ist dasselbe.
Ich behaupte nun ganz einfach, jedes Kind bringt seine Eltern mal an den Rand der Verzweiflung. Die einen mehr, die anderen weniger. Aber ihre Grenzen loten alle Kinder aus. Und das sollen sie auch. Das gehört zum Lernen. Ist wichtig für das Leben. Wenn auch nicht immer einfach für Mami und Papi.
Das allgemeine Geheimrezept gibt es nicht
Jedes Kind ist anders. Und unser Sohn der Beste. Das ist halt einfach so. Sorry. Es ist jedoch tatsächlich so, dass wir ein (aus unserer Sicht) äusserst pflegeleichtes Kind haben. So wurde unser Kleiner vor einiger Zeit, als vierwöchiges Baby, schon als Anfängerbaby bezeichnet. Im Spital. Von einer ausgebildeten Kinderkrankenschwester. Man stelle sich das mal vor. Aber irgendwie hatte sie wohl recht. Und Anfänger waren wir ja noch. Als Eltern.
Eines ist aber klar. Auch unser Sohn probiert alles aus. Schaut, wo seine Grenzen sind. Oder besser gesagt: die Grenzen die wir – Mami und Papi – für ihn setzen. Und nicht immer kann ich damit gleich gut umgehen.
Es gibt Momente, da kann passieren, was will. Ich bleibe total entspannt. Da bringt mich nichts aus der Ruhe. An anderen Tagen fühle ich mich aufgrund identischer Situationen total angespannt. Versuche mit grosser Kraft, meine Nerven im Zaum zu halten. Geduldig zu bleiben. Es wird schon wieder vorbei gehen. Es wird wieder besser. Das wird es immer.
Geduldig bleiben
Überhaupt ist das ein ganz wichtiges Stichwort. Geduld. Es ist nicht immer einfach. Aber es hilft ungemein. Klappt aber halt nicht immer. Wenn der Geduldsfaden reisst, dann kann es auch mal vorkommen, dass ich gereizt reagiere auf völlig normale Fragen oder Aussagen.
Was ich aber mit aller Kraft zu verhindern versuche, ist mein Kind und meine Mitmenschen anzuschreien. Von gröberen Mitteln ganz zu schweigen. Das macht es garantiert nicht besser. Nie! Ein gutes Rezept ist, ein paar Momente (oder Minuten) tief durchatmen. Der Kleine schafft auch mal ein paar Minuten alleine.
Natürlich nur, sofern er sich in einer sicheren und gewohnten Umgebung befindet. Also nicht einfach im Einkaufszentrum stehen lassen und davonlaufen. Logisch nicht. Aber zu Hause im Wohnzimmer sieht das ganz anders aus. Und noch besser: Durchatmen und runterkommen, bevor man am liebsten Schreien würde.
Ausgeschlafen geht es besser
Ein wichtiger Faktor bezüglich Nervenzustand ist der Schlaf. Zumindest bei mir. Ausgeschlafen bin ich viel resistenter gegen Stress als wenn ich müde oder morgens mit dem falschen Bein aufgestanden bin. Im Gegenzug ist einer meiner (aktuell) grössten Stressauslöser das Schlafen gehen unseres Sohnes. Will er mal nicht schlafen, habe ich meistens grössere Mühe damit.
Fairerweise darf ich jedoch erwähnen, dass unser lieber Sohnemann in aller Regel sehr gut schläft. Er schläft nun praktisch immer durch. „Ohne Gitter“, wie er selbst mit Freude verkündet. Morgens kommt er meistens relativ früh, aber man kann die Zeit bereits zum Tag zählen. Ja, und Abends geht er auch meistens gut zu Bett. Man beachte hier einfach, dass meistens ungleich immer ist. Und genau mit diesem Unterschied hadere ich desöftern.
Wie geht es euch mit den Nerven? Ist da draussen in der weiten Welt irgendein Mami oder Papi, welcher zu jeder Zeit und in jeder Situation völlig entspannt ist? Ich freue mich über eure Kommentare!
Ali Mitgutsch: Unsere grosse Stadt. Ravensburger Buchverlag, 1988-2016. Erhältlich bei Ravensburger Buchverlag.
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Für Mäuse mit und ohne Schnur könnte dasselbe gelten wie für Telefone. Ohne Kabel steigt der Verschleiß, gerade weil sie weiter fliegen (https://tanjaimnorden.wordpress.com/2016/07/19/service/).
Ich neige zum Glück nicht zum Dingewerfen, aber Eltern bewundere ich schon oft. Wenn ich Freunde besuche, die Kinder habe, bin ich das ein oder andere Mal ganz froh, wie ruhig es bei uns zuhause zu geht.
Grundsätzlich sind die Papis glaub ich ein wenig entspannter….auch weil die Erwartungen an sie (und jene von ihnen an sich selber) nicht ganz so hoch sind ;-): http://www.anyworkingmom.com/mommywars/
PS: Ganz herzlichen Dank für die Aufnahme in Eure Empfehlungen! Habe Euren Blog erst so entdeckt!