Jo Nesbo: Der Erlöser
Oslo in der Vorweihnachtszeit. Hauptkommissar Harry Hole ermittelt in seinem sechsten Fall im Umfeld der Heilsarmee. Zwei Brüder, Jon und Robert. Jons Verlobte Thea sowie Ragnhild, seine Geliebte vor Theas Zeit. Martine und ihr Bruder Rikard. Eine lange zurückliegende Vergewaltigung. Und ein Auftragsmörder aus Kroatien, welcher in der Zeit des Kosovokrieges aufwuchs.
Der Mörder mit dem roten Halstuch erschiesst in aller Öffentlichkeit Robert Karlsen, den jüngeren Bruder von Jon. Das Wetter verhindert seine geplante Rückreise nach Zagreb. Der Flug wird auf den Folgetag verschoben. So bekommt er aus den Medien mit, dass er offenbar den falschen Mann erschossen hat. Er bleibt in Oslo, um seinen Auftrag zu Ende zu bringen. Aber hat er tatsächlich den falschen erwischt? Weiss er über die Hintergründe überhaupt Bescheid?
Er spuckte aus, und jemand beugte sich zu ihm herab und erklärte, Bobo, der Kapitän persönlich, habe ihn aus dem vollgelaufenen Bombentrichter gerettet. Dabei deutete der Fremde auf einen kahlköpfigen Mann, der an der Treppe des Bunkers stand. Er trug eine Uniform und ein rotes Tuch um den Hals.
Es sollte sein letzter Auftrag sein. Noch nie ist etwas schief gegangen. Auch in Oslo scheint zuerst alles perfekt abzulaufen. Doch dann verstrickt sich der Kosovare immer mehr in Schwierigkeiten und Harry Hole ist ihm dicht auf den Fersen. Es kommen noch weitere Personen zu Tode. Aber gehen alle zu Lasten des gleichen Mörders? Oder gibt es gar noch weitere Täter?
Und was hat die Heilsarmee mit den Morden zu tun? Wer ist die Frau, welche als junges Mädchen auf dem Klo vergewaltigt wurde? Wer ist der Vergewaltiger, welcher offenbar auch heute noch seinen Trieben nachgibt? Und wie hängt alles zusammen?
Und er wusste, es war zu spät. An seiner rechten Schulter konnte er die Tür spüren, an der linken Jons Hüfte und auf dem Trommelfell die Druckwelle einer Pulverexplosion und eines Projektils, das gerade eine Pistole verlassen hatte.
Obwohl der Auftragskiller von Anfang an bekannt ist, geht es sehr lange bis die Zusammenhänge klar werden. Und das macht das Buch Der Erlöser erst recht so richtig spannend. Die Verstrickungen der Charaktere werden immer klarer, aber trotzdem hatte ich zwischendurch falsche Schlüsse gezogen.
Schade nur, dass Harry Hole sein Leben nachwievor nicht wirklich im Griff hat. Sein schlimmster Feind, Jim Beam und der Alkohol, sucht ihn immer wieder heim. So auch in diesem Buch. Und wie wird es wohl mit seiner Liebe Rakel und deren Sohn Oleg weitergehen? Werden sie wieder zueinanderfinden? Es wäre Harry zu wünschen.
Auf seinem Zimmer leerte er die restlichen Miniaturflaschen, übergab sich noch einmal, trank ein Bier, kotzte, sah sich im Spiegel an und fuhr mit dem Aufzug nach unten zur Hotelbar.
Im Präsidium sieht es anfangs ebenfalls eher schlecht aus für den Hauptkommissar. Nach dem Rücktritt von Bjarne Moller erhält er einen neuen Chef. Moller hatte ihn immer wieder geschützt und vor der Entlassung bewahrt. Wird sich dies unter seinem neuen Chef, Gunnar Hagen, ändern? Es scheint, als warten seine Vorgesetzten nur auf seinen ersten Fehler, um ihn zu entlassen. Umso überraschender kommt zum Schluss das Geständnis von Moller.
Harry stemmte sich gegen den Wind und suchte nach Worten. Als er endlich welche fand, klang seine Stimme fremd und gequält: „Tut mir leid, Chef. Ich kann dich nicht festnehmen.“
Doch dazu muss zuerst das Buch gelesen werden. Und das kann ich allen Liebhabern der Kriminalliteratur nur empfehlen.
Der Erlöser ist der sechste von bisher zehn Fällen für Harry Hole, dem alkoholkranken Hauptkommissar der Osloer Polizei. Er ist keine einfache Persönlichkeit der sogenannt guten Seite, denn es fällt einem nicht leicht, ihn zu mögen.
Neben den Kriminalromanen der Hole-Reihe kann ich von Jo Nesbo die Thriller Headhunter (2008) und Der Sohn (2014) sehr empfehlen. Zweiteres ist für mich der wohl beste Roman von Jo Nesbo.
Der Erlöser von Jo Nesbo erschien 2010 bei Ullstein.