Gedanken zu … schreiende Kinder in der Öffentlichkeit
Zum Wochenstart fiel mir beim morgendlichen News-Scrollen auf dem Telefon eine Schlagzeile ins Auge, welche mich an eigene Erlebnisse erinnerte. Weil ein Kind in einem Zürcher Tram trotzte, wurde sie vom Chaffeur aufgefordert das Tram zu verlassen oder dem Kind eine Ohrfeige zu geben. Geht man so unseren Kindern um?
Krass? Ja, aber wohl nicht selten. Auch ich und meine Frau mussten schon ähnliche Situationen meistern mit unserem Kind. Klar, das nicht enden wollende Geschrei reisst einem den letzten Nerv aus. Aber ebenso klar ist, dass das ganz einfach zur Entwicklung eines Kindes dazu gehört – auch mal in einem Tram.
Lest meine Gedanken als Vater dazu und einige ähnliche Anekdoten aus eigener Erfahrung.
Trampilot riet mir, mein Kind zu ohrfeigen
20 Minuten, Beitragstitel
So titelte diesen Montag, 25. März 2019, 20 Minuten einen kurzen Beitrag über die Klage einer Mutter, welche mit ihrem Kind im Züricher Tram 13 eine unschöne Erfahrung machen musste. Gemäss der Mutter aus Zürich hatte ihr dreijähriger Sohn einen Trotzanfall der schönsten Art und wollte, wie das so ist, einfach nicht aufhören. Dass Kindergeschrei äussert laut sein kann, können kleine und grosse Kinder im Technorama in Winterthur entdecken. In einer speziellen Schreibox, gilt es die höchsten Dezibelwerte zu erreichen, ohne die weiteren Besucher zu stören.
Ein schreiendes Kind im Tram reisst jedoch an den Nerven aller – der Eltern, der Fahrgäste und natürlich dem Chaffeur. So kam dieser im oben angesprochenen Vorfall gemäss der Schilderung der Mutter wie eine Furie aus der Fahrerkabine, habe seine Türe zugeknallt und sei auf sie zugekommen. Nachdem er sie zum Aussteigen aufgefordert hatte, sagte er, sie solle dem „Saugofen“ eins an die Ohren geben.
Wow, das sitzt. Ich wär dann einfach mal sprachlos und schockiert. Die Mutter blieb mit ihrem Sohn sitzen und stieg wie geplant an der Endhaltestelle aus. Daumen hoch meinerseits! Dort meldete sie sich umgehend beim Kundendienst, welcher sie vertröstete. Es sei einer von vielen Fällen, wurde ihr mitgeteilt. Eine Entschuldigung blieb aus. Gemäss den Verkehrsbetrieben der Stadt Zürich (VBZ) widerspricht der Ablauf der Schilderung des Chaffeurs, inwiefern kommuniziert die VBZ jedoch nicht.
Wo fängt denn da die Erziehung an?
Herr mittleren Alters in der S-Bahn zu meiner Frau
Im Groben werden die Äusserungen der Mutter wohl stimmen, dies zu beurteilen, liegt mir jedoch fern. Nur kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass uns ähnliche Vorfälle auch schon passiert sind mit unserem mittlerweile vierjährigen Sohnemann. Was jedoch auffällt, sind die vielen positiven Reaktionen, wenn es mal wieder einem Mitmenschen dieses Planeten den „Nuggi“ rausgehauen hat.
Die wohl beleidigenste Situation musste meine Frau in einer Zürcher S-Bahn erleben. Als unser Junge zuerst oben, dann unten, dann selbstverständlich wieder oben sitzen wollte in der doppelstöckigen Zugskomposition. Aber nein, irgendwann ist schliesslich Schluss und schon gings los. Er steigerte sich vollgas ins Trotzen rein und schrie ebenso vollgas. Wer Kinder hat, weiss wohl, dass sie dann nicht einfach so wieder aufhören können und dass man als Eltern in einer solchen Situation auch nicht einfach nachgeben darf und kann.
Das sah ein Herr mittleren Alters jedoch anders und fragte beim Aussteigen, wo denn da die Erziehung anfängt. Baff! Das sass und meine Frau war erst einmal sprachlos. Geschockt. Hallo? Die korrekte Antwort kam uns dann abends gemeinsam in den Sinn, leider etwas spät, um sie dem Herrn noch um die Ohren zu hauen. Die Antwort? „DAS ist Erziehung“. Fertig. Das wärs.
Als der Herr dann raus war (nur er stieg aus), ereignete sich etwas unglaublich schönes. Der Rest der Fahrgäste äusserte sich empört über die Aussage des Herrn und stärkte meine Frau, wie sie mit der Situation des trotzenden Kindes umgegangen sei. Ein Fahrgast schenkte unserem Sohn gar noch ein kleines Spielzeug, welches er zufällig dabei hatte.
Wenn alle Mütter so einen Lärm machen würden, wäre es nicht mehr zum aushalten.
Frau älteren Alters in der Migros zu mir
Ähnlich erging es auch mir schon. Manchmal braucht es dazu nicht mal ein schreiendes Kind, es reicht, wenn Papi und Sohnemann miteinander reden und dies dazu auch noch beim Einkaufen in der Migros. So wurde ich vor einiger Zeit ziemlich rüde angeschnauzt, dass es nicht mehr zum aushalten wäre, wenn alle Mütter so einen Lärm machen würden. Ich war dann einfach nur sprachlos. Im Nachhinein war ich mir aber nicht mehr ganz sicher, was das wirkliche Problem war. Waren wir zu laut oder war es eher der Umstand, dass ich als Papi an einem Wochentag (dem Freitag) mit meinem Kind beim Einkaufen war?
Aber wenn wir schon beim öffentlichen Verkehr sind, so durfte auch ich selbstverständlich schon mal mit Sohn und einem Trotzanfall ÖV fahren. Nach Tram und Zug war es bei mir der Bus. Das Ur-Problem ganz ähnlich wie im Zug, die Sitzplatzwahl. Erst der ganz hinten, dann unbedingt dieser eine andere und wenig später wieder ganz hinten. Aber nein, auch ich bin kein Hampelmann und irgendwann ist Schluss. Auch möchte ich nicht in einem fahrenden und gut besetzten Bus ewig die Plätze wechseln.
In meinem Fall äusserte sich niemand negativ über das knapp zehnminütige Geschrei, im Gegenteil. Als wir ausstiegen, trat auch eine Frau in meinem Alter aus dem Bus und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln mit den sinngemässen Worten: „Das gibt es, kenne ich auch und geht wieder vorbei“. Danke, das tat gut.
Kinder trotzen aus eigener Erfahrung am stärksten bei den eigenen Eltern respektive den engsten Erziehern. Bei uns loten sie die Grenzen aus und zudem haben wir die Aufgabe der Erziehung und sollten nicht immer gleich nachgeben. Ein Trotzanfall kündigt sich auch nicht an und entsteht nicht selten aus völlig banalen Gründen. Wenn es soweit ist, kanns aber schon mal ganz krass abgehen und ein Ende ist nicht absehbar – bis es häufig genauso schnell wieder vorbei ist. Wie soll man sich aber in einer solchen Situation verhalten?
- Auf keinen Fall nachgeben
- Das Kind einfach halten, trösten und beruhigen
- Das Kind nicht zwingen, aufhören zu schreien, das macht es nur noch schlimmer
- Das Kind nicht schlagen!
- Das Kind nicht anschreien!
Liegen die Nerven blank, ist es nicht immer einfach, sich korrekt zu verhalten. Man muss es einfach immer wieder versuchen und im Nachhinein, wenn das Kind wieder beruhigt ist, mit ihm sprechen. Dabei die Ursache des Anfalles ansprechen, aber dem Kind auch das eigene Verhalten erklären. So lernt man gegenseitig mit den wenigen schwierigeren Momenten des Familienlebens umzugehen.
Eines muss hier noch gesagt sein. Die freudigen und wunderschönen Momente, welche man als Eltern mit seinem Kind oder seinen Kindern erleben darf überwiegen die nervzehrenden und kräfteraubenden Trotzanfälle um ein Vielfaches! Sie gehören aber ganz einfach zur Entwicklung der Kinder dazu. So lernen sie, eigenständig zu werden und ihren eigenen Kopf durchzusetzen. Informationen und Tipps findet man an vielen Orten, wie beispielsweise in der Schweiz in den Pro Juventute Elternbriefen.
Über einige oben erwähnte Erlebnisse berichtete ich unter anderem in den Beiträgen Tobsuchtsanfall in der Öffentlichkeit – und wenn andere alles besser wissen und Achtung Störfaktor – Vater und Sohn im Supermarkt. Bleibt doch dran, abonniert meinen Newsletter und erfahrt unmittelbar, wenn es wieder was spannendes zu lesen gibt.
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Ich habe es selbst bei meinen Jungs miterlebt: Einem schreienden, trotzenden Kind ist nicht zu helfen. Und den Eltern in diesem Moment leider auch nicht. Wir haben es dann so gehandhabt, dass wir später, danach, wenn das Kind sich wieder beruhigt hatte, satt und ausgeschlafen war, mit ihm geredet haben.
Echt blöd sind diese wohlmeinenden Erziehungsratschläge, die man in solchen Momenten erhält. Aber die Aufforderung, das Kind zu schlagen, ist wohl das Allerletzte. Mich wundert, dass man sowas heute noch hört. Denn ich dachte, diese Generation wäre so langsam ausgestorben.
LG
Sabienes
Danke für deinen Kommentar. Das mit dem Gespräch in aller Ruhe, wenn die Wogen wieder geglättet sind, machen wir auch so.
Beste Grüsse, Stefan