Der fehlende Ehrgeiz und der letzte Biss
Wieviel Ehrgeiz legt ihr an den Tag bei der Ausübung von Beruf und Hobby? Wie ehrgeizig betreibt ihr eure Lieblingssportart? Mit welchem Ehrgeiz startet ihr zum hobbymässigen Laufen?
Wir Hobbyläufer verfügen mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht über den Ehrgeiz eines Spitzensportlers. Ich ganz sicher nicht. Einen starken Willen haben wir alle aber bestimmt. Sonst würden wir nicht 10, 21 oder gar 42 Kilometer am Stück laufen. Mit dem letzten Biss schaffen es aber auch wir allermeistens über jede Ziellinie.
Betrachten wir mal einige unterschiedliche Ansätze. Vom blau-weissen Hobbyläufer bis zur Engelberger Olympiasiegerin.
Zugegeben, mein Ehrgeiz ist wohl nicht der allergrösste. Ich strebe nicht nach grossen Siegen. Zu gross wäre der Aufwand für mich, welcher ich in die Vorbereitung und Trainings stecken müsste. Das war schon immer so. Wichtiger als Siege bei der Korbballmeisterschaft waren mir stets die gemütlichen und lustigen Abende danach. Auch im Turnverein stand das gesellige Beisammensein immer an erster Stelle.
Ohne Willen kein Lauf
Aber trotzdem braucht es einen gewissen Biss. Auch ich habe ein kleines Stück Ehrgeiz in mir. Ansonsten hätte ich so manchen Lauf kaum zu Ende gebracht. Ja, und ohne den starken Willen wäre ich entsprechend noch gar nie am Start gestanden. Das wiederum kam nun schon sehr oft vor. Viele Läufe bis 10 Kilometer und bisher bereits vier Halbmarathons um den Greifensee.
Ehrgeiz:
starkes oder übertriebenes Streben nach Erfolg und Ehren
Duden
Was ist nun aber Ehrgeiz. Vor meinem ersten Greifenseelauf Halbmarathon war ich überzeugt, dass ich ein ehrgeiziges Ziel vor mir habe. Schaffe ich es überhaupt? Ja, ich will es ganz einfach. Aber ist das wirklich schon so richtiger Ehrgeiz? Oder einfach ein starker Wille und grosser Wunsch?
Das Ziel vor Augen
Es war ein ehrgeiziges Ziel, aber ich selbst war wohl kaum wirklich ehrgeizig. Ich wollte den Halbmarathon schaffen. Aber nicht um jeden Preis. Ich war – und bin es immer noch – bereit, so viel wie möglich zu trainieren. Immer wieder sind mir jedoch andere Dinge wichtiger, als das strikte Einhalten eines Trainingsplanes.
So ist auch dieses Jahr der Greifenseelauf Halbmarathon mein grosses Ziel. Mein Trainingsplan von running.COACH hilft mir dabei, mich so optimal wie möglich darauf vorzubereiten. Klar möchte ich meine Zeit vom Vorjahr bestätigen und nach Möglichkeit unterbieten. Ob ich das in den Trainings und im Lauf bis über die Ziellinie durchziehen kann? Keine Ahnung. Dazu fehlt mir ganz einfach der nötige Ehrgeiz.
Dem grossen Ziel alles unterordnen
Ich laufe sehr gerne. Dieses Hobby ist mir enorm wichtig und ich kann beim Laufen super gut vom Alltag abschalten. Mein grosses Ziel ist 2017 mein fünfter Halbmarathon. Ich freue mich ganz gewaltig darauf. Aber doch kann und werde ich diesem grossen Ziel nicht alles unterordnen. Zu klein sind meine Ambitionen.
Ehrgeiz:
Unter Ehrgeiz (auch: Ambition) versteht man das im Charakter verankerte Streben eines Menschen nach persönlichen Zielen, wie Leistung, Erfolg, Anerkennung, Einfluss, Führung, Wissen oder Macht.
Wikipedia
Um Welten anders sieht dies bei den Top-Athleten dieser Welt aus. Egal, welche Sportart. Wer im Spitzensport aktiv ist (oder war), verfügt von Natur aus über eine gehörige Portion Ehrgeiz. Das kann gar nicht anders sein. Ausser dem Wunsch zu gewinnen, darf es in dieser Sparte gar nichts anderes geben. Ist man gesund und kann seine Leistungen voll abrufen, scheint das teilweise schon fast einfach. Ist es natürlich nicht, schon klar.
Doppelt so stark nach Rückschlägen
Der wahre Ehrgeiz und die ganz grosse Leistung wird jedoch notwendig, wenn man durch Verletzungen oder sonstige Rückschläge vollends aus der Bahn geworfen wird. Immer wieder. Wer den Schritt über das Karriereende im Spital quasi schon getan hat – und dann trotzdem zurück kommt. Das sind wahre Champions und verdienen grössten Respekt.
Erinnert ihr euch an den schlimmen Sturz des Schweizer Skirennfahrers Daniel Albrecht beim Zielsprung von Kitzbühel 2009? Drei Wochen lag er im Koma. Die Familie, der Skizirkus und die Fans bangten um sein Leben. Und was will Albrecht nach dem Erwachen? Genau. Zurück auf die Skipiste. Kaum einer traute es ihm zu. Aber doch fuhr er im Dezember 2010 in Beaver Creek einen Riesenslalom und klassierte sich im 21. Rang! Er fand zwar nie mehr zurück zu seinen Leistungen vor dem Sturz, aber trotzdem sind solche Typen wahre Helden des Sports. Und ganz klar. Für ein solches Comeback reicht ein bisschen Ehrgeiz nicht. Da braucht es eine gewaltige Portion davon.
Making It Happen
Von einem anderen sportlichen Idol habe ich ebenfalls grossen Respekt. Sie war schon zu ihren Aktivzeiten meine Lieblings-Fahrerin von Swiss Ski. Meine Frau rief mich immer sofort vor den Fernseher, wenn sie am Start stand. Nur meistens sass ich ja bereits selbst live vor dem TV. Skirennen gehören schliesslich zu unserem familiären Pflichtprogramm. Dies nur am Rande.
Um dein ganzes Potenzial auszuschöpfen, musst du dich immer wieder den schwierigsten Bedingungen stellen.
Dominique Gisin, Making It Happen
Die Rede ist selbstverständlich von Dominique Gisin aus Engelberg. Von klein auf steht sie auf den Skiern und wollte nie etwas anderes tun. Angespornt insbesondere von ihrem Grossvater. Sie ging ihren Weg und stand vor dem Durchbruch im Weltcup. Dann kamen in der wohl dümmsten Zeit die Verletzungen. Nebst diversen weiteren Operationen wurde sie total neun (!) mal am Knie operiert. Deren fünf hatte sie mit 17 Jahren bereits hinter sich.
A true Athlete
Aufgeben? Von aussen betrachtet wohl das sinnvollste. Nicht so aber für die Spitzenathletin Dominique Gisin. Mit ganz viel Biss, einem starken Willen und einer enormen Portion Ehrgeiz machte sie das Unmögliche im Februar 2014 möglich. An den olympischen Spielen gehörte sie nicht zu den Top-Favoritinnen. Aber ich sagte zu Hause schon seit Jahren, mit Gisin müsse man immer rechnen.
Und so kam es zu ihrem grössten Erfolg überhaupt. Dominique Gisin wurde in Sochi zeitgleich mit Tina Maze Olympiasiegerin in der alpinen Königsdisziplin Abfahrt. Sie belohnte sich mit dieser schnellen Fahrt gleich selbst für alle Entbehrungen, die sie all die Jahre zuvor auf sich genommen hatte. Es war ein verdienter Sieg für eine grosse Karriere, die sich nicht an der Anzahl von Weltcup-Siegen ausdrücken lässt.
Und jetzt?
Ja, jetzt gäbe es noch vieles zu berichten über den vorhandenen oder aber fehlenden Ehrgeiz. Das Thema ist, so scheint mir, noch nicht abgeschlossen. Lassen wir uns inspirieren von Sportlern wie Daniel Albrecht und Dominique Gisin und nehmen ein kleines Stück Ehrgeiz von ihnen für uns in Anspruch. Ich bin überzeugt, das reicht weit für uns Hobbysportler.
Wir alle haben einen Rucksack zu tragen. Trage deinen mit Würde und Geduld, ohne jemals dein Ziel aus den Augen zu verlieren.
Dominique Gisin, Making It Happen
Ans Herz legen möchte ich euch das Buch von Dominique Gisin. In Dominique Gisin, Making It Happen erzählt sie ihre Lebens-, Sportler- und Leidensgeschichte. Sie und ihr Sportpychologe Christian Marcolli zeigen auf eindrückliche Art und Weise, wie der Olympiasieg von Sochi entstanden ist. Erhältlich ist das lesenwerte Buch auf der Webseite von Dominique Gisin, Making It Happen.
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Hallo Stefan
Schöner Beitrag, spannende Gedanken! Vielleicht sehen wir uns irgendwann am Greiffenseelauf ;-). Mein Ehrgeiz ist zwar schon da, aber gerade wieder hatten und haben wir einen Monat mit den Windpocken und schlaflosen Nächten zu tun, so dass die Energie eingeteilt werden muss.
Eine gute, ehrgeizige 😉 Vorbereitung wünsche ich dir für den Halbmarathon und vorallem: have fun :-)!
Grüsse
Anita
Ja, das kenne ich. Bei mir war es jetzt gerade Blinddarm und Jobwechsel, welche zu einem kleinen Trainingsunterbruch führten.
Aber wir bleiben dran, gäu! 🙂 Der Greifenseelauf kommt – so oder so 🙂
Liebe Grüsse, Stefan