Die Präsidenten dieser Welt
Woran viele bis zuletzt nicht glauben wollten, ist Tatsache geworden. Mit erschreckender Mehrheit an Wahlmännerstimmen gewinnt Donald Trump die Präsidentschaftswahl in den USA und wird im Januar 2017 zum 45. US-Präsidenten erkoren. Doch ist dieser Wahlausgang wirklich so überraschend, wie man jetzt vielerorts liest? Und sind tatsächlich nur die Amerikaner so dumm, einen solch unberechenbaren und emotionalen Präsidenten zu wählen?
Nein, ich denke nicht. In anderen Ländern wird dies jedoch teils vom System verhindert. So beispielsweise in der Schweiz. Wir haben unsere Räte. Die grosse Kammer (den Nationalrat) sowie die kleine Kammer (den Ständerat). Und dann haben wir natürlich unsere geschätzten sieben Bundesräte. Aktuell sind dies Johann Schneider-Ammann (FDP, Bundespräsident 2016, Bern), Ueli Maurer (SVP, Zürich), Didier Burkhalter (FDP, Neuenburg), Doris Leuthard (CVP, Aargau), Guy Parmelin (SVP, Waadt), Simonetta Sommaruga (SP, Bern), Alain Berset (SP, Fribourg). Höchste Schweizerin oder höchster Schweizer ist jedoch nicht ein Vertreter aus dem Bundesrat. Es ist jeweils die Präsidentin oder der Präsident des Nationalrates. Zurzeit ist dies Christa Markwalder (FDP).
An der Parteizugehörigkeit der Bundesräte ist schnell klar, dass sämtliche grösseren Parteien des Landes in der Regierung vertreten sind. Es ist also rein systemtechnisch nicht möglich, dass ein dahergelaufener Clown mit viel Geld die kompletten Regierungsgeschäfte übernimmt.
Wenn die Schweiz einen Präsidenten hätte
Aber wie wählt das Volk hierzulande? Wer kann die grosse Mehrheit der einfachen Menschen auf der Strasse für sich gewinnen? Genau! Bei uns ist dies seit (zu) vielen Jahren klar die SVP – die Schweizerische Volkspartei. Gäbe es in der Schweiz lediglich die Parteien SP (Sozialdemokratische Partei) und SVP, so wie in den USA Republikaner und Demokraten, wer wäre wohl vor 13 Jahren zum Präsidenten der Schweiz gewählt worden?
Korrekt! Christoph Blocher. Mister Präsident von der Zürcher Goldküste. Er hätte seine Wähler in Schwindel geredet. Aber genau diese Wähler wären dann auch an die Urne gegangen. Klarer Sieg für das politisch rechte Lager der Schweiz. Glücklicherweise haben wir aber noch mehr Parteien. Und vor allem haben wir unsere geliebten sieben Bundesräte.
Extreme sind im Trend
Trotzdem ist die rechts angesiedelte SVP seit vielen Jahren in einem Hoch. Trotz leichten Rückschlägen bei der letzten Wahl ist sie nach wie vor die stärkste Partei im Nationalrat. Aber auch die SP auf der politischen Gegenseite kann Erfolge verbuchen. All dies geht seit Jahren zu Lasten der politischen Mitte.
Eine Tendenz, die mich tatsächlich beunruhigt. Wenn ich etwas nicht mag, dann sind es extreme Meinungsäusserungen. Egal, ob links oder rechts. Ob politisch oder religiös. Es ist noch selten gut gekommen, wenn ein Volk zu stark nur für das eine einsteht. Aber immerhin reden bei uns die Politiker miteinander. Die meisten zumindest. Man hört auf die Meinungen der anderen – und schlussendlich auch auf das Volk. Dank sei der direkten Demokratie.
Wie ticken die Amerikaner?
Anders sieht dies in den USA aus. Wenn man so liest und hört, liegt ein unüberwindbarer Graben zwischen den Rupublikanern und den Demokraten. Als Bürger ist man entweder Republikaner oder Demokrat. Irgendwas dazwischen gibt es nicht. Es würde mich nicht wundern, wenn Hochzeiten zwischen unterschiedlichen Religionen häufiger sind als zwischen den zwei politischen Lagern. Eine für mich unglaubliche Besonderheit der sogenannten Weltmacht USA.
Eine Aussage eines Amerikaners von Long Island / New York aus dem Jahre 2011 habe ich bis heute nicht vergessen. Meine heutige Frau arbeitete damals auf Long Island. Gemeinsam waren wir mit einer Arbeitskollegin von ihr und ihrem Mann auf ein Bier in einer Brauerei. Beide waren sie typische Wähler der Demokraten. Wir sprachen auch über den US-Präsidenten. Damals war Barack Obama seit zwei Jahren im Amt. In Europa waren wir alle begeistert und die Erwartungen waren auch in den USA gross.
Aber was sagte mir ein Wähler Obamas? Aus seiner Meinung sei Obama auf dem Weg, der „schlechteste US-Präsident aller Zeiten“ zu werden. Ich erschrak. Es sei nicht nur seine Meinung. Es zeigte jedoch deutlich die Schere zwischen dem weltpolitischen Verhalten und der Innenpolitik. So ist das Gesundheitssytem „Obamacare“ für mich sowas von selbstverständlich. Aber wie schaut das für einen einfachen Arbeiter aus? Welcher zwei Jobs hat, um über die Runden zu kommen? Was sieht der zuerst? Die Kosten. Und da verstehe sogar ich die Abneigung gegen das durchaus sinnvolle Programm.
Der Glauben an Versprechen
Was passiert, wenn dann einer kommt und den Amerikanern nur das Beste verspricht? Jeder Wählergruppe genau das anpreist, was sie hören wollen? Ihnen Verbesserungen aufzeigt, welche sie persönlich angehen? Was interessiert die Amerikaner zwischen Texas im Süden und Dakota im Norden, was im Nahen Oster oder in Europa abgeht, wenn er selber kaum genug für sein Leben aufbringen kann? Was nützt ihm ein Präsident, der für das Wohl der Welt einsteht, aber der einzelne Bürger hat das Gefühl, vergessen zu gehen?
Ist ja irgendwie klar, wählen diese Amerikaner den Präsidenten, welche ihnen vorgibt, etwas für sie zu tun. Ob das dann auch wirklich so kommt, bezweifle ich. Einmal mehr, werden die Reichen entlastet, die Armen vergessen und die Weltpolitik? Zssssss … die Zündschnur brennt! Hoffen wir, Präsident Donald Trump wird sich gemässigter auf der weltpolitischen Bühne bewegen als in seinem Wahlkampf.
Kontrahenten auf Augenhöhe
Mal ehrlich. Die USA sind nicht das einzige Land, wo wir uns als Mitteleuropäer über die Wahl des Präsidenten wundern. Seit 2012 ist Wladimir Putin der Präsident der Russischen Föderation. Zuvor war er dies schon zwischen 2000 und 2008. Dazwischen wie auch von 1999 bis 2000 war er Ministerpräsident Russlands. Ein Präsident, dem die Weltgemeinschaft nicht gerade viel bedeutet und der meiner Ansicht nach tut und macht, was er gerade so will. Was ist, wenn so einer die Nerven verliert?
Oder wie war das damals mit dem Bunga-Bunga-Präsidenten Italiens? Ganze viermal war der Medienmogul des Stiefelstaats Ministerpräsident. Immer wieder schaffte er es zurück an die Spitze. Nur zuletzt nicht mehr. Aber ist das sinnvolle und nachhaltige Politik?
Nicht jammern – das Beste daraus machen!
Aber es ist, wie es ist. Jammern nützt hier auch nichts. Das amerikanische Volk hat gewählt. Auch wenn die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen für Hillary Clinton waren. Das aktuell gültige Wahlsystem mit den Wahlmännerstimmen der Bundesstaaten hat entschieden – und dies überraschend deutlich. Donald Trump wird ab 2017 der 45. Präsident der Vereinigten Staaten sein. Er wird dabei sowohl auf das Repräsentantenhaus wie auch auf den Senat zählen können. In beiden Kammern eroberten die Republikaner die Mehrheit.
Was bleibt uns? Wir müssen wohl oder übel damit leben – und damit umgehen. Die Schweizer Politik wie auch Europa muss mit Donald Trump zusammenarbeiten. Auch wenn wir ihn – aus meiner Sicht berechtigt – als Clown bezeichnen, müssen wir ihm die Hand reichen. Es wird auch die nächsten Jahre irgendwie gehen. Geben wir ihm eine Chance und hoffen auf vernünftige Berater – viele vernünftige Berater.
Hat dir dieser Beitrag gefallen und du möchtest mehr davon? Dann melde dich jetzt an für meine E-Mail-Benachrichtigung. Einfach Name und E-Mail eintragen und auf Anmelden klicken. Und schon erhälst du ein Mail, wenn hier was neues bereit steht. Herzlichen Dank – ich freue mich.
Kommt Zeit, kommt Rat. Mal sehen, was für Überraschungen Trump macht.
Ja, hoffen wir mal, er überrascht uns positiv. Die Hoffnung ist derzeit das einzige, was uns bleibt.