Cervelat: der vielseitigste Schweizer
Es regnet. Ich sitze im Wintergarten und der Regen prasselt über mir auf das Glasdach. Wunderschöne Stimmung. Solange ich nicht raus muss. Draussen aber steht unsere Feuerschale an ihrem Platz. Und ich denke ans Grillieren. Ans Feuer machen. Und an schönes Wetter mit Sonnenschein und warmen Temperaturen. Immerhin haben wir ja Juni. Ein Sommermonat. Könnte man meinen.
Es soll besser werden. Pünktlich zum Start der Fussball Europameisterschaft in Frankreich am Freitag soll die Sonne scheinen. Wenn es denn so kommt, wie die Wetterfrösche voraussagen. Aber das wird es schon. Es muss ganz einfach. Denn dann wollen wir die Feuerschale wirklich einheizen. Und grillieren. So ganz ohne Grillrost. Dann holen wir unsere Holzstecken hervor, schneiden unsere Cervelat ein und bröteln diese auf dem offen Feuer. Herrlich!
Selber grilliert schmeckt er am besten
Es gibt wohl kaum einen Schweizer, welcher nicht schon als Kind auf einer Schulreise oder sonstwo Cervelat gebraten hat am Feuer. Zuerst das Feuer machen. Dann sucht sich jeder einen geeigneten Stecken im Wald. Mit dem Sackmesser wird der Spitz geschnitzt, sodass die Wurst dann auch gut aufgespiesst werden kann. Und dann sitzt man ans Feuer und hält die eingeschnittene Cervelat über das Feuer. Man kann auch stehen. Hauptsache, die Wurst wird gebraten.
Der Cervelat ist des Schweizers liebste Wurst.
Das Einschneiden ist so eine Sache. Jeder hat da so seine eigenen Gewohnheiten. Das wohl typischste sind aber die Beine. An beiden Enden wird ein Kreuz eingeschnitten und dann gehen die sogenannten Beine wunderbar voneinander während die Wurst gebraten wird. Ist der Cervelat einmal heiss und knackig ist der Genuss garantiert. Und die Beine werden so richtig kross knackig. Ich hab sie am liebsten so richtig gut durch.
Schweizer Nationalwurst Nummer 1
Keine Frage. Es ist DIE Schweizer Nationalwurst. Eine durchschnittliche Cervelat hat ein Gewicht von rund 80 Gramm. Und man kann mit ihr alles machen. Die genannte Art des Brätelns am Holzstecken ist nur eine Variante. Auch normal auf einem Rost grilliert ist sie spitze. Sie ist aber nicht eine reine Grillwurst. Es gibt viele Rezepte von und mit der Cervelat, wie man sie in der Küche zubereiten kann. Meine Mutter hat früher häufig die Arbeiterkoteletts gekocht. Ganz einfach panierte Cervelat-Hälften. Oder auch Cervelat Cordon-Bleu kam bei uns auf den Tisch. Wiederum die beiden Cervelat-Hälften mit Käsescheiben belegen und dann mit Rohschinken oder Speck umwickeln. Und vor kurzem habe ich auch eine Röschti mit Cervelat genossen. Die Metzger-Röschti in der Röschti-Farm Bözenegg. Darüber habe ich hier bereits geschrieben.
Und das beste. Auch kalt ist die Cervelat ein wahrer Hochgenuss. Was gibt es besseres, als an einem heissen Sommertag einen frischen Wurst-Käse-Salat zu geniessen. Oder das Waldfest. Die wohl einfachste Zubereitung einer Cervelat. Einfach Cervelat, Brot und Senf auf einem Holzbrett servieren. Und dann geniessen. Das gab es übrigens schon mal an einer Hochzeit als Mitternachts-Snack. Die Überraschung war gross. Die Freude und der Genuss noch viel grösser.
Eine Zusammenstellung verschiedener Zubereitungsarten findet ihr im Beitrag Alleskönner in der Küche: 17 Cervelat-Rezepte auf der Homepage vom Schweizer Radio- und Fernsehen (SRF).
Die Rettung der eigenen Haut
Vor einigen Jahren war die Cervelat doch tatsächlich ernsthaft vom Aussterben bedroht! Im Laufe des Jahres 2008 drohte der Schweizer Nationalwurst das Aus. Tschuldigung?! Das wär ja, als ob man dem Hofbräuhaus in München einfach so den Bierhahn zudreht. Oder wenn es in Italien keinen Pizzateig mehr gibt. Oder in den USA sämtliche Fast Food Läden schliessen müssen. Es wäre doch um ein Haar ein Stück Schweizer Identität verloren gegangen. Aber eben. Zum Glück nur beinahe.
Grund dafür war die Haut der Cervelat. Diese hat ganz spezielle Eigenschaften, welche eben genau die Eigenheiten einer Cervelat ausmachen. So kann man eine Cervelat ohne Probleme kalt geniessen und dafür die Haut gut abziehen. Grilliert man sie, lässt man die Haut typischerweise an der Wurst. Sie kann also auch gegessen werden. Ja, sie gibt der Wurst dann sogar ihre typische Form, da sich die Haut bei Erhitzung zusammenzieht.
Diese besondere Eigenschaft haben weltweit (fast) nur die brasilianischen Rinderdärme. Aufgrund eines Importverbotes der EU durften diese aber zwischen 2006 und 2012 nicht in die Schweiz eingeführt werden. Das war echt eine riesen Sache und es drohte, eine leichte Panik auszubrechen. Das muss man sich nun ernsthaft mal vorstellen. Da gehst du auf eine Schulreise. Mit dem Zug selbstverständlich. Wandern steht auch auf dem Programm. Irgendwann kommen die Lehrer mit den Kindern bei einem Wald an einer wunderschönen Feuerstelle an. Es wird angefeuert und alle freuen sich. Und dann? Was soll man denn nun über die Flammen halten? So ganz ohne Cervelat? Soll unser aller Nachwuchs tatsächlich Peperoni vorne an den Stecken aufspiessen?
Der Cervelat ist den Schweizern näher als jede andere Wurst. Die Nationalwurst ist allgegenwärtig und gilt als Symbol und Synonym für Heimat.
Aber nein! Die Haut der Cervelat wurde gerade noch gerettet! Juhui! „Freude herrscht“, würde da unser ehemaliger Bundesrat aus dem Berner Oberland rufen. Vielleicht hat er sogar. Es ist sogar ziemlich wahrscheinlich. Mit Importen aus Argentinien, Uruguay und Paraguay wurde der Nachschub gesichert.
Ein Buch über den Cervelat
Korrekterweise heisst es übrigens DER Cervelat. Also die Wurst, aber der Cervelat. Das mag mich jetzt ein wenig verwirren. Aber mit der Aussprache der Bezeichnung der Cervelat habe ich es bisher noch nie so genau genommen. Deshalb ist es gut möglich, dass in diesem Artikel der Cervelat nicht immer ganz korrekt angesprochen wird. Aber auf den guten Geschmack hat dies absolut keinen Einfluss. Wirklich nicht! Ich sag auch mal Cervilat. Also das ist ja nun völlig falsch. Aber trotzdem schmeckt sie absolut herrlich.
Erstmals wird unsere Nationalwurst in diesem Buch umfassend beschrieben, illustriert, fotografiert – klug und verspielt gezeigt.
Im Buch Cervelat – Die Schweizer Nationalwurst können viele interessante Details und Hintergrundinformationen zu unserer liebsten Grillwurst nachgelesen werden. Auch werden die 20 besten Rezepte von Gault-Millau-Koch Beat Caduff fotografisch und zum Nachkochen gezeigt. Vom Buch stammen auch die Zitate dieses Beitrages.
Peter Krebs, Roth+Schmid, Beat Caduff, Heinz von Arx: Cervelat – Die Schweizer Nationalwurst. AS Verlag, Zürich, 2015.
Alternativen?
Klar, es gibt viele, nein, sehr viele, weitere sehr gute Würste. Sowohl für den rohen als auch für den heissen Genuss. Die Liste von leckeren Wurstwaren wäre hier definitiv endlos. Aber die Cervelat ist einer der wenigen, wenn nicht die einzige, die in allen nur möglichen Zubereitungsarten einfach nur super schmeckt. Ob roh, grilliert oder gekocht. Schlichtweg egal.
Also lasst es euch schmecken. Und wenn ihr demnächst den Grill anschmeisst oder die Feuerstelle einheizt, dann grillt euch doch auch mal (wieder) eine Cervelat.