Swiss Golf – oder einfach Hornussen
Da stehen eine Horde Männer mit Tafeln auf einem gemähten Feld und versuchen eine dahergeflogene Scheibe zu stoppen. Geschlagen von einem Mitglied der zweiten Horde Männer auf dem selben gemähten Feld. Sowas gibt es wahrlich (fast) nur in der Schweiz.
Was die kirchliche Obrigkeit im 19. Jahrhundert noch zu verbieten versuchte, ist heute nebst Schwingen und Steinstossen eine der drei Schweizer Nationalsportarten. Hornussen wird sie genannt und verdient hier endlich einen kleinen Erklärungsbeitrag, da mir selbst diese Sportart zwar bekannt, aber doch eher fremd war. Aber lest selbst, was auf den gemähten Feldern von den Horden Männer gespielt wird.
Woher das Hornussen stammt, ist nicht restlos klar. In Kirchenschriften wurde es im 17. Jahrhundert erstmals abgelehnt, war es damals doch ein sonntägliches Spiel, welches dem Kirchgang dagegenstand. In der Literatur beschrieb Jeremias Gotthelf 1841 das Hornussen in seinem Roman Ueli der Knecht. Darin ist das Hornussen ein spielerischer Wettkampf zwischen Jungbauern im Emmental. Die Regeln wurden vor jedem Spiel abgemacht und als Spieleinsatz galt das anschliessende Zvieri (Brotzeit), welches von der verlierenden Mannschaft offeriert wurde. Noch heute werden üblicherweise Wetten über den Spielausgang abgeschlossen, dessen Einsatz bei 50 bis 100 Franken liegt. Einzelne Spieler wetten häufig untereinander um ein Bier. Raufereien im Anschluss an das Spiel aufgrund von Regelstreitigkeiten und zu intensivem Alkoholkonsum führten dazu, dass die kirchliche Obrigkeit das Hornussen immer wieder verbieten wollte. Hauptgrund war aber wohl, dass die Spiele meist an einem Sonntag stattfanden.
Vor dem grossen Fest
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde auch das Hornussen reglementiert, womit zumindest die Unstimmigkeiten über die vereinbarten Regeln wegfiel. Seit 1902 sind die Hornusser unter dem Eidgnössischen Hornusserverband (EHV) und dessen Regionalvergänden organisiert. Diese veranstalten die Meisterschaften der Nationalligen A und B sowie der weiteren fünf Ligen. Alle drei Jahre findet zudem das Eidgenössische Hornusserfest statt und auch am ebenfalls alle drei Jahre stattfindenden Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest stehen die Hornusser im Einsatz. Das nächste Eidgenössische Hornusserfest steht übrigens unmittelbar bevor. Es findet an den kommenden beiden Wochenenden vom 17. bis 19. sowie vom 24. bis 26. August in Walkringen (Bern) statt.
Die nächsten Eidgenössischen
Eidgenössisches Hornusserfest Walkringen (Bern) 17. bis 19. August 2018 und 24. bis 26. August 2018 | Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest Zug 23. bis 25. August 2019 |
Auf dem Spielfeld
Das Hornussen ist eine Schweizer Mannschaftssportart und gehört nebst dem Schwingen und Steinstossen zu den Nationalsportarten unseres kleinen Alpenstaates. Ausserhalb der Schweiz existiert einzig in Münnerstadt und Grossrinderfeld, beides in der Region Würzburg in Deutschland, ein regelmässiger Spielbetrieb. Zudem leben in Südafrika einige Hornusser, die an Wettkämpfen in der Schweiz teilnehmen. In Südafrika wird die Sportart als Swiss Golf bezeichnet. Nebst der Mannschaftsleistung wird beim Hornussen auch die Leistung jedes Einzelnen bewertet. In die Einzelwertung geht die Weite des Abschlages der sogenannten Nouss, für die Mannschaft zählt, dass möglichst wenige dieser Noussen auf dem Spielfeld zu Boden gehen.
Aber schauen wir uns das Spiel im Detail an und lernen gleichzeitig einige spezifische Begriffe aus der Welt des Hornussens. Für das Grundverständnis hilfreich ist die Verwandtschaft zu anderen Schlag- und Fangspielen wie Cricket oder Baseball. Die abtuende Mannschaft stellt sich jeweils mit der Schindel ausgerüstet – um nicht zu sagen, bewaffnet – auf dem Spielfeld, dem Ries, auf. Diese versuchen, die Nouss (oder auch Hornuss) möglichst früh mit der Schindel zu treffen. Die schlagende Mannschaft schlägt die Nouss mit dem Stecken vom Bock so weit wie möglich in das gegnerische Spielfeld oder gar darüber hinaus. Eine Mannschaft, auch Gesellschaft genannt, besteht aus 16 bis 19 Personen, je nach Spielmodus.
Ein normales Spiel besteht aus zwei Umgängen, wobei jede Mannschaft pro Umgang einmal schlägt und einmal abtut. Hierbei schlägt jeder Spieler pro Umgang zwei Streiche mit jeweils drei Versuchen. Ein solches Spiel dauert in der Regel drei bis vier Stunden. Die Mannschaft, welche am Ende des Spieles am wenigsten Nummern zählt, hat gewonnen. Eine Nummer wird geschrieben, wenn die Nouss ohne Berührung der Schindel direkt im Spielfeld auftrifft. Bei grösseren Hornusserfesten werden drei Umgänge gespielt, am Eidgenössischen Hornusserfest gar deren vier. Hierbei ist der erste Umgang (am Eidgenössischen die ersten zwei Umgänge) das Anhornussen (Qualifikation) und die letzten beiden Umgänge das Ausstechen, wobei die Gegner anhand dem Anhornussen eingeteilt werden.
Begriffe zum Hornussen
Anmessen | Anzeigen der Schlagbereitschaft des Schlägers durch einen absichtlich zu hoch angesetzten Schlagversuch (Nouss wird nicht getroffen). Dient dem Schläger auch als Lockerungs- und Konzentrationsübung. Ist zwingend vorgeschrieben. |
Anzeigen | Melden von Flugbahn, Höhe, Geschwindigkeit und des vermuteten Landeortes des einfliegenden Nouss durch lautes Rufen und mit hochgehaltener und quergestellter Schindel an die anderen Spieler im Ries. |
Abtun | Stoppen des anfliegenden Nouss mit der Schindel. Entweder „gefaustet“ (die Schindel bleibt in der Hand) oder „gestochen“ (die Schindel wird hochgeworfen). |
Bock | Abschlagrampe aus Aluminium oder Stahl/Chromstahl |
Gesellschaft | Mannschaft, bestehend aus mehreren Spielern, wovon (je nach Spielmodus) 16 bis 19 Personen an einem Spiel teilnehmen. |
Horn | Trinkhorn mit 1–2 Liter Fassungsvermögen. Traditioneller Preis für die erstrangierten Mannschaften eines grösseren Festanlasses. Wird später meist im „Kranzkasten“ (Trophäenvitrine) des Stammlokals der Mannschaft ausgestellt. |
Hornuss / Nouss | Ursprünglich aus Holz oder Horn gefertigte Scheibe, welche ins Ries geschlagen wird. Der Nouss wird heute aus Kunststoff hergestellt (Spritzguss) und hat ein Gewicht von 78 Gramm. Für Spiele darf ausschliesslich der von zertifizierten Herstellern gefertigte, als Hornuss 98 bezeichnete Nouss verwendet werden. |
Nummer | Nouss, der nicht durch Schindel gestoppt wird, sondern innerhalb des Spielfeldes zu Boden kommt. Zählt für die Bewertung der Mannschaftsleistung. |
Punkte | Schlagweite der Streiche über 100 Meter (pro zusätzliche 10 Meter ein Punkt). Wird für Bewertung der Einzelleistung und der Mannschaftsleistung verwendet. Mannschaften der Nationalliga A erzielen in einem Spiel zwischen 1300 und 1100 Punkte, Mannschaften der Nationalliga B zwischen 1200 und 1000 Punkte. |
Ries | Trapezförmiges Spielfeld von 200 m Länge. Das Spielfeld beginnt 100 m vom Abschlagort (Bockstand) und hat dort eine Breite von 10 m, 300 m vom Abschlagort ist die Breite 15 m. Die Länge des Spielfelds ist vom Spielmodus abhängig. Der Bewuchs des Spielfelds ist ebenso wenig normiert wie die Anforderungen an das Gelände. Auch wenn heute Rasenplätze vorherrschen, wird bei Festanlässen meist auf abgeernteten Äckern gespielt. Ein ebenes Spielfeld ist zwar die Regel, es existieren jedoch auch regelmässig bespielte Plätze, bei denen zwischen Abschlagort und Spielfeldende 30 m Höhendifferenz bestehen (Biglen, Gfell). Der Begriff „Ries“ wird auch für das Punktetotal der einzelnen Streiche (Total 1. Streich, Total 2. Streich etc.) der Mannschaft verwendet. |
Schindel | Abfangschaufel (in der Form ähnlich einer Bäckerschaufel). Wird verwendet, um den fliegenden Nouss vor dem Fall auf den Boden zu stoppen. Die Schindel besteht meist aus schichtverleimtem Holz oder aus Kunststoff. Der Einsatz von Kunststoffschindeln ist seit 2009 nur noch im Training und bei Wettspielen zugelassen. |
Stärkeklasse | Anhand der Festresultate berechnete Spielstärkeklasse einer Mannschaft. Wird für die Einteilung bei Hornusserfesten verwendet. Nicht zu verwechseln mit der Ligazugehörigkeit (Meisterschaft). |
Stecken | Ursprünglich Weidenrute mit am Ende befestigtem runden Hartholzklotz (Träf). Heute meist aus Karbonfaser oder Fiberglas gefertigt. Maximallänge (3 Meter) und Minimaldurchmesser (3.6 Millimeter) sind festgelegt. Jeder Spieler benutzt seinen eigenen Stecken. |
Streich | Einzelner Schlag. |
Träf | Runder Klotz aus gepresstem Hartholz (vgl. Stecken). Das Gewicht des Träfs liegt meist zwischen 250 und 300 Gramm. Maximal sind 350 Gramm erlaubt. |
Wettspiel | Freundschaftsspiel, auch Bezeichnung für den Wetteinsatz. |
Zieli | Markierungstafeln am Spielfeldrand. Dienen der Spielfeldbegrenzung, der Schlagweitenbestimmung und der Orientierung der für einen bestimmten Bereich des Spielfelds eingeteilten Spieler der abtuenden Mannschaft. |
Die Nouss darf in seiner Flugfähigkeit nicht unterschätzt werden. Wie Versuche der ETH Zürich ergaben, erreicht die Nouss beim Abschlag Geschwindigkeiten bis gut 300 km/h und prallt mit bis zu 160 km/h auf dem Spielfeld auf. Dabei erreicht die Nouss eine Flughöhe von bis 70 Meter sowie eine Flugweite von bis zu 330 Meter, bei Spitzenspielern sind gar bis 390 Meter möglich. Diese Werte sind stark abhängig von den äusseren Wetterbedingungen sowie der Schlagkraft des Spielers. Trotzdem und auch dank wenigen Verletzungen durch direkte Körpertreffer gibt es keine Vorschriften bezüglich Schutzausrüstung. Zudem ist es verpönt, die Nouss zu flach oder zu hoch zu schiessen. Zuschauer haben sich beim Bock ruhig zu verhalten, um die Konzentration des Abschlägers nicht zu stören und Jubeln der schlagenden Mannschaft beim Fallen einer Nummer ist ebenfalls unpassend.
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